Detail aus o.T. ( No. 6) aus der Serie „ARCHE endemisch”, 2020, © VG-Bild Bonn
Helga Schmidhuber
____
Finissage und Gespräch mit der Künstlerin Helga Schmidhuber
am Donnerstag, den 02.09. um 18 Uhr
____
“Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen
Und haben sich, eh’ man es denkt, gefunden;
Der Widerwille ist auch mir verschwunden,
Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.“
Beginn eines Sonetts „Natur und Kunst“ von Johann Wolfgang von Goethe, 1800.
Die Kunst ist ein menschliches Kulturprodukt, das Ergebnis eines kreativen Prozesses. Die Natur jedoch ist der Urzustand, mit diesem Begriff wird all das bezeichnet, was nicht vom Menschen geschaffen ist. Natur und Kultur sind dennoch keine Gegensätze, sondern in der Naturmystik gegenseitig durchwebt. In der Existenz des Menschen geht das eine nicht ohne das andere – die aktuelle Krise des Klimawandels hat es uns wieder vor Augen geführt.
Der Mensch will unterschiedlichste Ziele erreichen, zerbricht sich den Kopf über die Möglichkeiten, die er hat, und muss wählen. Anders die Natur: In ihr ist alles Teil eines großen Ganzen, eines Ökosystems, das nur funktioniert, weil in der Vielfalt der Arten und der Lebensformen ein hochgradig komplexes Netz der Verbundenheiten und Abhängigkeiten existiert.
Die Anziehungskraft der Kunst von Helga Schmidhuber, sagen wir ruhig die Magie, liegt in der Kombination der so unterschiedlichen Elemente. Für sie sind Natur und Kunst harmonisch miteinander verbunden, weil in beiden eine Art »Wille« zur Gestaltung erkennbar ist. Und was bliebe von Technik, Gesellschaft, Kultur und Kunst, wenn ihnen die Natur nicht zugrunde läge?
Schmidhuber vereinigt diese beiden Welten harmonisch; zwei Welten, die sich gegenseitig inspirieren. Sie ist eine Jägerin, Sammlerin und Forscherin von merkwürdigen Objekten aus dem Tier- und Pflanzenreich, wie man es aus den Wunderkammern kennt, die seit dem 14. Jahrhundert von Fürsten und wohlhabenden Bürgern angelegt wurden. Teils aus wissenschaftlichem Interesse, aber auch aus einem hoch ästhetischen Anspruch. Sie transformiert ihre animalischen Fundstücke durch Applikation zivilisatorischer Hinterlassenschaften wie z.B. Porzellan-Fragmente, Kabelreste oder Strandgut zu pretiösen Kunstwerken.
Man denkt gleich an Fetische, an Objekte mit magischer Wirkungskraft. Doch Schmidhuber weiß von der Fragwürdigkeit solchen Aberglaubens. Ironisch hinterfragte sie diese Faszination am Mystischen in ihrer Ausstellung 2014 im Museum Wiesbaden: „Does Voodoo Work?“.
Ursprünglich von der Zeichnung und Malerei kommend, arbeitet Schmidhuber längst spartenübergreifend auch an Objekten und Installationen, was ihrer synästhetischen Wahrnehmung entgegenkommt. Sie will in ihrem Werk keine Möglichkeiten ausschließen.
Die Galerie Susanne Neuerburg freut sich sehr, dass große Teile ihrer spektakulären Installation „ARCHE endemisch“, die in der Ausstellung „Die absurde Schönheit des Raumes“ der Hamburger Kunsthalle – Galerie der Gegenwart bis Mai dieses Jahres zu sehen waren, den Sommer über in der Galerie in Hennef zu bestaunen sind.
In Hamburg arbeitete sie mit den unterschiedlichsten Medien an einem „Kunstraum“, dessen Mittelpunkt das Walross „Antje“ war. (Einem Präparat eines sehr populären und beliebten Bewohners des Hamburger Tierparks.) Das Narrativ der „Arche Noah“ übersetzte sie in unsere Zeit, in der die Angst vor der Zerstörung der Natur durch die Menschen allgegenwärtig ist, und eine Arche möglicherweise die Metapher für eine Rettung darstellt. Ein großer Teil ihrer kraftvollen, raffinierten Tafelbilder hat ebenfalls die Reise von Hamburg nach Hennef angetreten.
Die Malerei bildet den Schwerpunkt ihres multimedialen Werkes. Die Elemente mehrerer sich überlagernde Bildschichten fügen sich zu einem Neuen Bild zusammen. Zentrales Motiv sind wiederum Tiere nicht in ihrer natürlichen Umgebung, sondern in einem abstrakten, energetisch aufgeladenen Spannungsfeld. Zeigt dieses die Bedrohung oder die auratische Ausstrahlung dieser Individuen? Diese Frage bleibt offen. Die Affinität zur Tierwelt und zu Naturphänomenen besteht schon seit Schmidhubers Kindheit. Viele Phänomene, die in der Natur bestehen, lassen sich nach Schmidhuber in die Bedingungen und Bereiche des menschlichen Daseins übertragen. So sind die Tidenhübe der Gezeiten (Inner Island – Height of Tide) für die assoziativ arbeitende Künstlerin Ausdruck für Vorgänge im menschlichen Bewusstsein.
Helga Schmidhuber wurde 1972 in Wiesbaden geboren. 1999 begann sie – nach einem abgeschlossenen Studium des Kommunikationsdesigns – das Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Düsseldorf an, besuchte zwischen 2000 und 2002 die Klasse von Dieter Krieg und im Anschluss bis 2004 die Klasse von Albert Oehlen. 2004 Abschluss als Meisterschülerin bei Oehlen. Im Wintersemester 2005/06 übernahm Helga Schmidhuber einen Lehrauftrag für „Künstlerische Grafik“ an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden. Seit 2006 nahm die Künstlerin an Artist in Residence-Programmen teil und arbeitete in Österreich, Island, Kanada sowie in Spanien. Sie lebt und arbeitet im Rhein-Main-Gebiet.
Ihr Werk wurde schon international in wichtigen Institutionen gezeigt wie in der Hamburger Kunsthalle, CCA Kunsthalle / Mallorca, Museum Wiesbaden, Museum Villa Rot, Frankfurter Kunstverein, Nassauischer Kunstverein, u.a. 2020 erhielt sie den renommierten Hans–Platschek–Preis auf der ART Karlsruhe. Weitere Ausstellungen und Stipendien finden sich auf der Webseite